„Suchen Sie etwas Bestimmtes?“

Ich scheue es, beim Einkaufen von dieser Frage überrascht zu werden. Und bisweilen entgegne ich dem wohlmeinenden Verkaufspersonal: „Ich suche nicht, ich möchte entdecken.“

Groß war mein Erstaunen, als ich in Pablo Picasso einen Verbündeten entdeckte. „Wer etwas sucht, denkt von Gewohnheiten her. Wer etwas finden möchte, ist offen für Neues“, wurde er in einem Zeitschriftenartikel zitiert. Der legendäre Maler hatte bei mir ins Schwarze getroffen – sagen wir auf den Meister der Farben hin besser: ins Bunte. Seine Werke leben vom Wechsel der Perspektiven, von Verfremdung und Irritation. Nicht jedem gefällt das. Aber es bricht übliche Denk- und Sehmuster auf, weitet den Blick – „offen für Neues“.

Unser Alltag ist voll mit Routinen. Sie vereinfachen unsere wiederkehren-den Abläufe erheblich. Wir wissen, welche Artikel wir wo im Supermarkt finden, kennen den Fahrplan von Bus und U-Bahn und haben Beziehungsnetzwerke, wenn wir Rat und Hilfe brauchen.

Nach nunmehr 15 Corona-Monaten mit vielen Beschränkungen und Lock-down-Erfahrungen sagen wir „Es reicht!“ – oder denken es zumindest. Schnell war für diese Sehnsucht ein Begriff geboren: „neue Normalität“. Alles soll wieder so werden wie vorher. Zurück zum Gewohnten. Selbst in den Ferien und im Urlaub: alles wieder wie vorher!

Ich möchte mich nicht gänzlich in diese Dynamik fügen. Ungebrochen meine Entdeckerlust. Sie relativiert die Gewohnheiten, um sich überraschen zu lassen und zu entdecken: Ungeahntes, nach dem ich nicht gesucht hätte, weil ich gar nicht von seiner Existenz wusste – „offen für Neues“.

Darum gehe ich dieser Frage nach Möglichkeit aus dem Weg: „Suchen sie etwas Bestimmtes?“ Sie verengt den Blick…

 

Joachim Metzner CO